ALMATY SEPT 23'
Alle Bilder selbst mit einer Fujifilm XT30 ii + 15-45mm aufgenommen.
Ich hieve mich die letzten Schritte empor, blicke leicht verdutzt auf eine fehl platzierte DeLonghi Werbetafel, drehe mich um und weiß: Die Mühen und die gesamte Reise waren es wert. Vor mir erstreckt sich eine wunderschöne, teils mit Schnee bedeckte bergige Landschaft. Am Rand des erklommenen Bergpasses befindet sich eine weiße Jurte, die in dieser eisigen Landschaft sehr gemütlich und einladend wirkt. Mein Blick schweift über die majestätisch anmutenden Gipfel entlang dem Weg, den ich eben hochgegangen bin und findet sich schlussendlich in einer, in der Ferne liegenden Stadt. Ich befinde mich zu diesem Zeitpunkt auf etwas über 3000m ü. NN, im Skigebiet Shimbulak, welches unweit der Stadt Almaty im Südosten von Kasachstan, nahe der Grenze zu Turkmenistan und China, liegt.
Kasachstan – Eine kurze Vorstellung
Da unter Umständen der eine oder andere Leser sich in derselben Position befindet wie ich noch vor einem Jahr und sich denkt: „… Kasachstan??? Ja vielleicht schonmal gehört.“ Oder: „Jaa klar! Ich habe Borat gesehen!“ gibt es hier eine kurze Vorstellung des Landes.
Kasachstan ist das 9. größte Land der Erde und befindet sich in Zentralasien. Es teilt sich seine längste Grenze mit Russland, was im Norden von Kasachstan liegt. Die Hauptstadt ist Astana, das kulturelle und finanzielle Zentrum ist jedoch Almaty. Kasachstan hat nicht mal 20 Millionen Einwohner und somit eine Bevölkerungsdichte von nur 7 Einwohner pro km². Was meiner Meinung nach super ist, denn das heißt, es gibt viel Platz für atemberaubende Landschaft. Diese Landschaft besteht aus bis zu 7010 Meter hohen Bergen, der großen kasachischen Steppe und wunderschönen Seen und Flüssen.
Abgesehen von der großartigen Landschaft hat Kasachstan auch sehr entwickelte Städte vorzuweisen. Die in leichtem Smog gehüllte Stadt Almaty bietet neben der klassischen sowjetischen Architektur auch zahlreiche Gebäude im westlichen Stil sowie einige historische Gebäude der russischen Imperialzeit. Diese bunte Mischung macht die Stadt für mich sehr spannend, und ich musste wirklich an mich halten, nicht jedes Gebäude einzeln zu fotografieren. Um einige positive Beispiele für die Entwicklung des Landes zu nennen, die für mich als Deutschen utopisch erscheinen: Eine neue Bankkarte ausdrucken hat nicht mal eine Minute gedauert, es gibt überall Mobilfunk und bei wirklich jedem kleinen Stand oder sogar auf dem Basar ist es möglich mit App zu zahlen.
Die Weite der Steppe
Mein erstes Wochenende in Kasachstan werde ich als ein besonderes in Erinnerung behalten, da wir dieses nutzen, um raus in die Natur zu fahren, welche touristisch erschlossen ist. Wir machen uns früh morgens auf dem Weg zum Kolsay Nationalpark.
Die 2,5-stündige Fahrt führt uns durch eine beeindruckende Landschaft. Wir durchqueren die Weite der Steppe, passieren majestätische Berglandschaften und tauchen gelegentlich in kleine Dörfer ein, von denen man sich kaum vorstellen kann, warum sie in dieser abgelegenen Gegend existieren. Neben der imposanten Naturpracht hinterlässt die Fahrt allgemein einen bleibenden Eindruck, denn abgesehen von der kurvenreichen Fahrt durch die hügeligen Landschaftsabschnitte, gibt es auch immer wieder lange Geraden, auf denen sich die Straßenverhältnisse teilweise so verschlechtern, dass wir neben der Straße herfahren.
In Kolsay angekommen, werden wir sofort von der atemberaubenden Schönheit der Landschaft überwältigt. Ein wunderschöner Bergsee setzt den Höhepunkt dieser Szenerie, die uns sprachlos macht. Wir können nicht widerstehen, als uns einer der zahlreichen Tretboot-Verleiher anspricht. Also begeben sich Zara, Assel und ich auf eine einstündige Tretboottour über den glitzernden, türkis schimmernden See. Nach unserer Rückkehr lassen wir uns auf einem erhöhten Platz nieder und genießen ein einfaches Mittagessen aus Brot und Gemüse, während wir die majestätische Kulisse bewundern.
Später setzen wir unsere Reise fort, dieses Mal zum Canyon. Die genaue Dauer der Fahrt ist mir entfallen, da ich mich währenddessen in einen kurzen Schlummer fallen ließ. Unterwegs machen wir einen kurzen Halt, um die beeindruckende Schlucht von oben zu betrachten, bevor wir weiterfahren und schließlich einen abgesperrten, touristischen Bereich erreichen. Hier bietet sich uns die Gelegenheit, den Canyon von unten zu erkunden. Wir wandern etwa 45 Minuten den Pfad hinunter zu einer Art Rastplatz, wobei wir viele faszinierende Steine und eindrucksvolle Felsformationen passieren. Das Highlight für mich ist jedoch der ungewöhnliche Shuttleservice zwischen Start- und Zielpunkt, bei dem alte sowjetische "Busse" eingesetzt werden. Die Passagiere sitzen hinten auf Holzbänken und manchmal muss sich der Bus in Millimeter Arbeit durch Engstellen zwängen, um diese zu überwinden.
Nachdem wir den Canyon ausgiebig erkundet haben, machen wir uns schweren Herzens auf den Rückweg zum Auto und von dort aus nach Alatau. Dort erlebe ich einen weiteren "Kulturschock", als wir frisch gezapftes Bier in Glasbehältern ähnlich zu Gurkengläsern kaufen, um es später zum Abendessen mit einem salzigen Käse zu genießen.
Am darauffolgenden Tag machen wir uns auf den Weg nach Tamgaly Tas (Тамгалы тас). Die Reise führt uns zunächst über gewöhnliche Straßen, bis wir schließlich auf einen scheinbar zufälligen Feldweg abbiegen und mit einem SUV durch die endlose Steppe fahren. Dieses Fahrt ist äußerst faszinierend, da wir nichts als Steppe in der Ferne erblicken können, welche nur gelegentlich von einzelnen Farmhäusern unterbrochen wird.
In Tamgaly Tas angekommen, befinden wir uns zwischen dem Fluss Ili und einer atemberaubenden Felslandschaft. Vor tausenden von Jahren haben kasachische Stämme hier Höhlenmalereien von Tieren und einem Sonnengott erschaffen. In der Nähe des Eingangs entdecken wir zudem eine Malerei die Buddha darstellt. Diese geht wahrscheinlich auf buddhistische Mönche im 10. Jahrhundert zurück. Diese Missionare haben hier eine Mission gehabt, sind jedoch von einem Erdbeben überrascht worden, das sie als Zeichen gedeutet haben, nach Indien zurückzukehren.
Für mich ist jedoch wieder einmal die gesamte Landschaft das Intressanteste. Ich klettere auf kleine Felsen, um einen besseren Überblick über diese faszinierende Umgebung zu erhalten. Von dort kann ich auch eine Pferdeherde auf der anderen Flussseite beobachten, die durch die Steppe auf den Fluss hin galoppiert und an diesem dann sich badet und trinkt.
Nachdem wir einige Zeit in Tamgaly Tas verbracht haben, werden wir zum Mittagessen gerufen und genießen eine kleine Brotzeit in der Nähe des Flusses. Im Anschluss geht es für uns auch schon wieder zurück.
Ein Tag in der atemberaubenden Berglandschaft von Shymbulak
Heute erwachen wir völlig entspannt um 09:30 Uhr und machen uns sogleich auf den Weg zu einem nahegelegenen Café. Dort erwartet uns ein köstliches Frühstück, bei dem Zara ein Omelett und ich Rührei genieße. Nach unserer Stärkung ordert Zara ein Yandex Taxi, um uns nach Shymbulak zu bringen.
Ein kleiner Exkurs sei hier gestattet: Yandex ist ein russisches Technologieunternehmen, das Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen anbietet. Die lokalen Dienste umfassen Yandex Maps, die Yandex Suchmaschine, Yandex Taxi, Yandex Music und Yandex Food, um nur einige zu nennen. Yandex Taxi bietet vier verschiedene Kategorien zur Auswahl: Economy, Comfort, Comfort Plus und Business, jeweils mit unterschiedlichen Preisen und Servicequalitäten. Zusätzlich existiert das sogenannte "Gipsy-Taxi", bei dem man einfach seine Hand auf etwa Oberschenkelhöhe ausstreckt, auf ein beliebiges heranfahrendes Auto wartet und einen Preis aushandelt.
Zara bestellt ein Yandex Taxi in der Kategorie Comfort, und wir steigen in einen Chevrolet ein, dessen Fahrer nicht gerade das größte Vertrauen erweckt. Zwischendurch, als er sich verfährt und in eine verdächtige Seitenstraße abbiegt, überkommt mich kurzzeitig die Angst, dass er uns ausrauben könnte (was zum Glück nicht der Fall ist oder zumindest nicht geschieht). Nach einer 40-minütigen Taxifahrt erreichen wir den Eingang zur Gondelstation, wo uns mitgeteilt wird, dass die Gondel nur bis zur dritten von vier Stationen fahren wird. Ohne zu zögern fahren wir also bis zur dritten Station, die sich auf etwa 2840 Metern über dem Meeresspiegel befindet.
Wir schauen uns um und ich spüre die Anziehungskraft der nächsten Station, die wir von hier aus sehen können. Wir beginnen langsam unseren Aufstieg, wobei ich feste Schuhe und warme Kleidung trage, während Zara aufgrund ihrer Annahme, dass wir alles mit der Gondel bewältigen können, lediglich Turnschuhe und eine leichte Jacke trägt. Glücklicherweise kann sie sich unten eine Decke ausleihen. Das Wetter spielt auch eine Rolle, denn Regen ist für 14 Uhr vorhergesagt, also in einer halben Stunde. So setzen wir uns vorsichtig in Bewegung, die letzten 300 Höhenmeter den steilen Hang hinauf. Mit zunehmender Höhe wird der Wind stärker und unsere Schuhe rutschen immer wieder auf dem Geröll aus. Wir haben noch einige Kurven und etwa 100 Höhenmeter vor uns, und ich denke bereits darüber nach, vorzuschlagen umzukehren, da die Wolken dichter werden und Zara sehr erschöpft aussieht. Doch mein Ehrgeiz packt mich, und Zara stimmt zu, weiterzugehen. So erklimmen wir die letzten Meter, biegen vor einem DeLonghi Werbeschild rechts ab, und dann verschlägt es mir sofort den Atem.
Vor mir erstreckt sich vermutlich die majestätischste Landschaft, die ich je mit eigenen Augen gesehen habe. Ich blicke auf kalte, graue, mit Schnee bedeckte Bergwände und bin absolut fasziniert. Ich bin froh, dass wir diesen Aufstieg gewagt haben. Wir schauen uns um, lassen uns von einem russischen Paar fotografieren und sehen sogar einen eleganten Adler, der über unsere Köpfe kreist (welcher übrigens das Nationalsymbol der Kasachen ist und deren Flagge ziert). Nach paar Minuten auf diesem Bergpass, an dem neben einigen modernen "Wohnungen" für wohlhabende Wintersportbegeisterte auch eine Jurte steht, beginnt es leicht zu schneien. Dies verstärkt nur noch den Zauber dieses himmlischen Bergpanoramas.
Wir machen uns eilig auf den Weg den rutschigen Hang hinunter und steigen sofort in die Gondel, um wieder nach unten zu fahren. Unten angekommen, besuchen wir den höchstgelegenen Ice Skating Park der Welt, zumindest den Eingang, da er im Sommer natürlich geschlossen ist. Auf dem Rückweg zum Appartement, dieses Mal jedoch mit einem Yandex Taxi Comfort Plus, da es nur 2 Minuten entfernt ist, verläuft die Fahrt ohne beängstigende Umwege. Nach 40 Minuten erreichen wir erneut unsere Unterkunft.
Das Herz von Kasachstan - Besuch in Almaty
Meinen wirklich ersten Eindruck von Almaty erhalte ich bei einem abendlichen Spaziergang durch die Stadt. Wir wandern ein wenig entlang der Straße wo ich wohne und biegen dann einmal ab, bevor wir uns vor einem mächtigen gelben und mit weißen Säulen verzierten Opernhaus befinden. Auf dem Weg dorthin fallen uns natürlich auch, neben moderner Architektur, einige aus der Sowjetzeit stammende Gebäude auf. Dort gibt es neben den klassischen "Sowjet-Blocks", die besonders mit der Architektur verbunden werden, auch sogenannte Stalinkas, welche kleine, meist vierstöckige Wohnblöcke sind und manchmal mit einer sehr schönen Fassade verziert sind. Unser Weg von der Oper führt uns einen Fußgängerweg hinab, an dem viele Kleinkünstler musizieren, oder Fotokunst ausstellen. Auch sonst ist dieser Weg sehr schön dekoriert und verziert. Auf unserem Weg sehen wir noch die Universität und ein monumentalistisches Gebäude, welches die kasachische Nationalbank beherbergt. Das Gebäude fällt vor allem durch seinen offenen Betonbau, aber auch durch die schönen geometrischen Formen auf. Nach diesem Gebäude machen wir uns auf den Rückweg durch die bereits dunkle Stadt, auf Wegen auf denen zwar Straßenlaternen installiert sind, aber nicht an oder kaputt sind.
Am nächsten Tag führt uns unser Weg über die Tolebaev Straße. Diese ist eigentlich keine richtige Straße, sondern eine Fußgängerzone mit vielen Bäumen und Bänken, die zum Verweilen einladen. Zara erklärt mir, dass zu Sowjetzeiten, aber auch noch heute dieses Viertel als besonders prestigereich zum Wohnen gegolten hat und zeigt mir, dass einige Häuser an den Wänden Statuen haben, welche auf ehemalige, dort ansässige prominente oder wichtige Menschen verweisen. Außerdem lass ich mir erklären, was es mit kleinen Tafeln, die am Wegesrand aufgestellt sind, auf sich hat. Bei diesen handelt es sich nämlich um in kyrillisch, geschriebene Lyrics des vermutlich wichtigsten Sängers der Sowjetunion, Victor Tsoi. Seine Statue findet sich aber etwas weiter unten auf dem Weg entlang. Seine Texte bzw. Lieder handeln wohl, in Parabeln verpackt um das Volk, das seine Freiheit erkämpfen möchte. Für einen kleinen musikalischen Eindruck hier drauf klicken.
Weiter unten angelangt, finden wir noch ein weiteres, architektonisch spannendes Haus, welches aus der russischen Imperialzeit stammt und für russische Staatsdiener gebaut wForden ist. Dieses Haus hebt sich von den anderen durch seine gelben Wände und mit schönen braunen Holz Säulen verzierte Fassade ab. Nach dem 40 minütigen Spaziergang durch die Stadt finden wir uns vor dem “Grünen Basar", auf dem man allerlei Gemüse, Fleisch, Schulbücher, gefakte Klamotten und sonstiges finden kann. Wir schlendern ein bisschen umher und können einige der angebotenen Gerichte kosten. Zunächst einmal einen koreanischen Salat, welcher aus eingelegtem Gemüse besteht und im Anschluss noch einige Milchsüßspeisen, die ich kaum näher erläutern kann. Man kann sich aber getrocknete Milchkugeln mit Zucker vermengt vorstellen. Die Milch ist by the way nicht zwangsweise Kuhmilch, sondern zum Beispiel weiß ich, dass ich eine Süßspeise aus Kamelmilch gegessen habe.
Nachdem wir uns auf dem Basar umgesehen haben, geht es für uns weiter in eine Parkanlage, die den kasachischen Soldaten, welche im zweiten Weltkrieg gekämpft haben, gewidmet ist. Geehrt werden diese, durch ein Kriegerdenkmal, welches einen Soldaten zeigt, der seine Arme schützend vor andere hält, mit der goldenen Unterschrift “Wir können nicht mehr weiter zurück, hinter uns liegt nur noch Moskau”. Außerdem findet sich in diesem Park, wie in jeder postsowjetisischen Stadt, ein ewiges Feuer, sowie marmorne Würfel, die Namen der Städte tragen, die gegen Nazi-Deutschland gekämpft haben. Eine weitere Sehenswürdigkeit des Parks ist die russisch-orthoxe Kirche. Die 1906 erbaute Kirche fällt mir insbesondere durch die farbenfrohe Fassade auf, die sich in einem Spiel aus einem gelben Hintergrund, geziert mal mit grün, mal mit weiß und mal mit rot zu einem markanten, quadratischen Turm hervor arbeiten, auf dem sich dieses Spiel fortsetzt und in einem goldenen Kreuz seinen Höhepunkt findet. Wir betreten die Kirche, die nicht besonders groß ist und finden einen prunkvoll geschmückten Innenraum vor. In dieser Hinsicht also sehr ähnlich zu den römisch-katholischen Kirchen.
Nach einer herzhaften und für Zaras süßen Stärkung geht es für uns weiter und wir erkunden das vielleicht zwei Minuten entfernte Museum der Musikinstrumente. Dort können wir einige zentralasiatische Musikinstrumente bestaunen, welche in zahlreichen Bauweisen meistens aber irgendwelche Formen von Gitarren sind. In der Regel aber nur mit einer oder zwei Seiten und einem kleineren Resonanzkörper mit kleinen Aussparungen. Nach dem Besuch in dem Museum geht es für uns weiter durch die Stadt und wir entdecken wieder mal spannende Gebäude. Dieses mal eins, welches mir besonders gefällt, da es so aussieht als hätte mal aus vielen unterschiedlichen Wohnungstypen, jeweiles eine Etage rausgeschnitten und diese dann aufeinander gestapelt, das Gesamtresultat ist ein wenig chaotisch und könnte gut als Set für einen dystopischen Zukunftsthriller verwendet werden. Hier aber, in der Sonne, mit schönen Bäumen und dem bunten Treiben der Stadt davor hat das Gebäude einen gewissen Charme und wertet den Ort sogar auf eine seltsame Weise auf.
Unser Weg führt uns weiter nach Kök Töbe, dem höchsten Punkt der Stadt Almaty (1130m ü.NN). Wir fahren mit der Seilbahn hoch auf den Berg, auf dem ein Vergnügungspark liegt und wir wandern dort ein wenig herum. Neben der schönen Aussicht auf dem Fernsehturm, der die Skyline von Almaty prägt und einen Blick auf die mit Smog bedeckte Stadt hat der Ort aber nicht so viel für uns zu bieten und wir fahren wieder hinab.
Kleine Randbemerkung zum Verkehr: Sprit ist hier wahnsinnig billig, so ca. 60 Cent pro Liter, die Leute neigen also dazu den Motor unnötigerweise laufen zu lassen. Manchmal wirklich über mehrere Minuten hinweg, ohne dass jemand überhaupt im Auto ist. Außerdem ist der Stadtverkehr echt chaotisch, zur Rushhour ist eigentlich immer Stau und auch zwischen drinnen wirkt es oft nicht sehr koordiniert. Wir ziehen noch ein wenig durch die Stadt, besuchen dort zum Beispiel den Astanaplatz auf dem regelmäßig Proteste stattfinden, da dort auch das Gebäude des Bürgermeister ist.
Neben den üblichen touristischen Aktionen, die man in Almaty machen kann, wie das Nationalmuseum und das Kunstmuseum zu besuchen, empfiehlt es sich auch das Ritz - Carlton Hotel aufzusuchen. Dieses hat nämlich im 30. Stock eine Bar und Restaurant, bei dem man bei schönem Wetter einen herrlichen Blick auf die Stadt hat. Dort kann man dann, für etwas gehobenere Preise ein Getränk und vielleicht eine Pizza bestellen und in feiner Gesellschaft die verzaubernde Aussicht genießen. (2 Getränke und eine Pizza haben 28 € gekostet)

Der himmlisch blaue “Big Almaty Lake”
Nach einem gemeinsam Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Big Almaty Lake. Wir fahren zunächst mit dem Auto durch die Stadt, verlassen dann die Autobahn und finden uns auf einer kurvenreichen Bergstraße wieder, die uns zu dem See auf einer Höhe von 2511 Metern über dem Meeresspiegel führt. Dieser See ist auch für die Trinkwasserversorgung der Stadt zuständig. Wir parken etwas oberhalb des Sees, um von dort einen guten Überblick auf die verschneiten Bergspitzen und den wunderschönen, blau schimmernden Bergsee zu erhalten.
Um den See noch besser sehen zu können, steigen wir zu ihm hinunter und setzen uns nahe an das Ufer. Besonders beeindruckend ist ein weißes Häuschen, eine Messstation, das mitten im Wasser auf etwa 3 Metern hohen Stelzen steht. Die Luft ist erfrischend kalt, und wir beschließen, dem See näher zu kommen. Wir fahren einige Meter mit dem Auto bis zum Schild "Attention! Border Zone". Dort sehen wir ein Militärfahrzeug mit etwa fünf Männern in Militäruniform, die lächeln und entspannt wirken. Wir gehen näher zum See und setzen uns direkt vor die Wasseroberfläche. Ich mache ein paar Fotos. Plötzlich hören wir: "Kann man hier nicht mal ein paar Minuten in Ruhe Sport treiben? Weg vom Ufer! Der Aufenthalt hier ist strengstens verboten!" Ein Mann mit einem schwarzen Hund hat uns anscheinend entdeckt und ist offensichtlich ein Grenzsoldat.
Wir machen uns auf den Weg zum Hotel "Alpine Rose", von wo aus der Pfad zum Shukur Wasserfall auf einer Asphaltstraße beginnt und dann später als Feldweg weiter in die Berge führt. An den Wegrändern wachsen wilde Himbeeren und Hagebutten. Wir wandern entlang des malerischen Bergtals, als plötzlich viele Männer in kasachischer Militäruniform aus dem Wald auftauchen. Es sieht so aus, als ob sie etwas auf dem gegenüberliegenden Berg verfolgt hätten. Einige liegen auf dem Boden und zielen mit ihren Waffen den Hang hinauf, während andere mit Waffen in den Händen stehen. Dann laufen alle den anderen Berghang hinauf, und der Kommandeur erklärt, dass es sich nur um eine Übung handelt. Wir setzen unseren Weg in Richtung Wasserfall fort. Im Tal gibt es viele große Steine, die vor vielen Jahren hierher von den Flüssen gebracht und liegengelassen wurden. Ein kleiner Quellbach fließt durch das Tal, und wir müssen über die Steine springen. Nach einigen hundert Metern beginnt es zu regnen, und wir müssen leider umkehren.
Auf dem Rückweg beschließen wir, im örtlichen Restaurant "Tau Dastarkhan" zu Mittag zu essen. Dort sitzen wir in einer Jurte auf dem Boden, der Tisch ist etwa 50 cm höher. Die Inneneinrichtung der Jurte besteht aus Teppichen an den Wänden und vielen Körben (flache Kissen mit kasachischem Ornament). Der Kellner serviert uns Taschkent Tee, ein Lieblingsgetränk der Almatiner, wie uns Assel erklärt. Taschkent Tee wird aus einer Mischung von grünem und schwarzem Tee hergestellt und mit Honig, Zitrone und Minze verfeinert. Wir bestellen auch Spezialitäten aus Georgien - Khachapuri (Blätterteig mit Suluguni Käse), Pkhali (Auberginen mit Walnüssen und Granatäpfeln), gegrillten Brynza Käse und Lobio (Bohnen mit Gewürzen). Mir persönlich schmeckt besonders der süße Taschkent Tee und das Khachapuri.
Nach dieser kulinarischen Erfahrung kehren wir in die Stadt zurück. Assel lässt uns in meiner Wohnung heraus und wir verweilen dort zunächst eine Weile (wegen des vollen Magens). Am Abend machen wir uns erneut auf den Weg in die Stadt. Wir schlendern etwa 1,5 Stunden durch das nächtliche Almaty, bevor wir schließlich zurückkehren, um zu schlafen.
Der Mikrodistrikt Alatau
Erklärung: Mikrodistrikte sind in den Ländern der ehemaligen UdSSR kleine, administrative Einheiten, die nahe oder in einer Stadt sind. Diese beinhalten Infrastruktur, Verwaltungseinrichtungen sowie alle zum Leben notwendigen Einrichtungen, wie z.B. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Läden, etc.
Meine ersten Nächte in Kasachstan verbringe ich in dem Mikrodistrikt Alatau, der etwa 40 Minuten mit dem Auto vom Stadtzentrum von Almaty liegt. Ich habe dort nämlich das große Privileg Gast bei der Familie meiner Kommilitonin zu sein. Wir starten gemeinsam meine erste Erkundungstour und schlendern durch die Ortschaft hin zum Institut für Nuklear Physik. Auf dem Weg dorthin fallen mir neben den absehbaren Unterschieden (wie kyrillische Schrift) auch weitere auf. Der erste, wohl markanteste Unterschied ist, dass die Häuser in der Ortschaft sich untereinander sehr unterscheiden. Das ist vermutlich auf den Mangel an Bauvorschriften zurückzuführen und resultiert in spannenden Konstellationen wie eine Doppelhaushälfte bei der die eine Hälfte signifikant größer als die andere ist. Andere Hausbesitzer haben sich zum Beispiel dazu entschieden, die Fassade wegzulassen und man sieht die Betonwand, in der schön verzierte Fenster sitzen.
Einen weiteren Unterschied, den man bei dem Spaziergang durch den Ort feststellen wird, sind die dicken gelben Leitungen, die etwa 4,5m oberhalb der Straße am Straßenrand langführen. Von diesen Rohren führen einzelne, kleine Stichleitungen zu den Häusern. Natürlich handelt es sich bei diesen Rohren um Gasleitungen. Später erfahre ich noch von meinem Gastgebern (Zhan und Assel), dass bevor es diese Leitungen gab, jedes Haus ihr Gas im Garten gespeichert hatte. Also sind diese oberirdischen Leitungen vielleicht sogar eine sicherere Alternative.
Auf unserem Weg durch den Distrikt, der ursprünglich nur für die Mitarbeiter des Nuklearforschungsinstituts gewesen ist, fallen mir zudem auch einige streunenden Hunde auf, die scheinbar ihr eigenes Revier haben. Wir werden von einem Hund, den wir auch nicht direkt verscheucht haben eine Weile verfolgt.
Würde ich nochmal nach Kasachstan fliegen?
Definitiv JA. Mich hat die unglaubliche Landschaft wirklich beeindruckt. Almaty selber habe ich nicht als so wahnsinnig unterschiedlich zu westlichen Städten empfunden, ist aber dennoch eine Reise wert. Insbesondere weil die kleinen Unterschiede dann doch stark auffallen und in diesem Moment von mir als signifikant und aufregend wahrgenommen worden sind. Beispielsweise das Bier, das man frisch gezapft kaufen und in einem zwei Liter Gurkenglas mit nach Hause nehmen kann. Für den Fall, dass ich mal wieder nach Kasachstan fliege, ist eine Rundreise mit dem Auto bestimmt ein erstrebenswertes Ziel.